1. Einführung
Immer wieder stellt sich in Theorie und Praxis die Frage nach der Zulässigkeit von Herstellung und Veröffentlichung von Fotos, auf denen Personen abgelichtet sind.
Da es sich bei solchen Fotos um personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) handelt, wird gemeinhin regelmäßig die Frage nach der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des Fotografierens und des Verbreitens/Veröffentlichens aufgeworfen. In Vergessenheit gerät in diesem Kontext jedoch immer wieder die Existenz des bereits seit 1907 geltenden Kunsturhebergesetzes (KUG), welches die Zulässigkeit des Verbreitens und öffentlich zur Schau Stellens von Personenbildnissen seit langer Zeit regelt und zu dem bereits eine umfassende Kasuistik besteht.
Das Inkrafttreten der DSGVO hat nunmehr zu einem Konflikt zwischen DSGVO und KUG geführt, soweit es um das Verbreiten und Veröffentlichen von Fotos geht. Denn jede Verbreitung oder Veröffentlichung stellt gleichzeitig auch eine Datenverarbeitung im Sinne der DSGVO dar. Unstreitig ist, dass der Vorgang der Herstellung des Fotos (also des „Knipsens“) entweder nach der DSGVO oder dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu beurteilen ist. Das KUG kommt hinsichtlich der Herstellung des Fotos nicht zur Anwendung, da es nach seinem Wortlaut nur für die Verbreitung und Veröffentlichung gilt (vgl. zuletzt auch OLG Dresden, Urteil v. 10.07.18, Az. 4 U 381/18). Hieraus folgt: der vorgenannte Konflikt zwischen KUG und DSGVO entsteht nur bei einer Verbreitung oder Veröffentlichung eines Fotos.
2. Praktische Relevanz
Gem. Art. 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung verbreitet oder veröffentlicht werden. Ist eine solche Einwilligung einmal erteilt, ist sie nur noch unter ganz bestimmten Voraussetzung widerruflich. Anders hingegen im Anwendungsbereich der DSGVO: dort hat gem. Art. 7 Abs. 3 DSGVO die betroffene Person „jederzeit das Recht, seine Einwilligung zu widerrufen“. Die DSGVO ist insoweit also erheblich „Betroffenen-freundlicher“. Käme es nun zu einem Anwendungsvorrang der DSGVO vor dem KUG, würde dies für den Verbreiter / Veröffentlichenden eines Fotos die dauerhafte Unsicherheit bedeuten, dass der Fotografierte jederzeit seine erteilte Einwilligung mühelos und rechtswirksam widerrufen könnte und infolgedessen die Veröffentlichung des Fotos zurückzunehmen wäre.
Unabhängig des vorgenannten Beispiels ist es grundsätzlich aus Gründen der Rechtssicherheit wichtig zu wissen, nach welchen Vorschriften der jeweilige Sachverhalt zu beurteilen ist. Um die Zulässigkeit eines bestimmten Lebenssachverhaltes rechtssicher beurteilen zu können, ist von bedeutender Relevanz, ob bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Verbreitens und Veröffentlichens von Personenbildnissen auf die jahrzehntelang entwickelte Rechtsprechung zum KUG zurückgegriffen werden kann, oder ob die Grundsätze der neuen DSGVO gelten bzw. einzubeziehen sind, d.h. ob beispielsweise Art. 6 (1) (f) DSGVO anzuwenden ist. In letzterem Fall müsste sich dann hinsichtlich der Verbreitung und Veröffentlichung von Fotos eine gefestigte Rechtsprechung ggf. noch herausbilden. Rechtsanwender und Betroffene könnten sich in einem solchen Fall nicht allein darauf verlassen, dass die Gerichte bei der Abwägung im Rahmen von Art. 6 (1) (f) DSGVO (berechtigte Interessen) allein auf die zum KUG ergangene Rechtsprechung zurückgreifen (hierzu sogleich).
3. (Nur teilweise) Auflösung des Konfliktes durch OLG Köln: Fortgeltung des KUG nur bei Verbreitung und Veröffentlichung von Bildern zu u.a. journalistischen Zwecken
Das OLG Köln hat im Juni 2018 lediglich entschieden, dass, soweit es um die Verbreitung / Veröffentlichung von Bildnissen zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken gehe, das KUG fortgelte (OLG Köln, Beschluss v. 18.06.18 – 15 W 27/18, BeckRS 2018, 12712). Zur Begründung führte das OLG aus, dass das KUG eine Öffnungsklausel i.S.v. Art. 85 Abs. 2 DSGVO darstelle. Wortlaut Art. 85 Abs. 2 DSGVO:
„Für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, sehen die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II (Grundsätze), Kapitel III (Rechte der betroffenen Person), Kapitel IV (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter), Kapitel V (Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen), Kapitel VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden), Kapitel VII (Zusammenarbeit und Kohärenz) und Kapitel IX (Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.“
4. Was bedeutet „journalistischer Bereich“ i.S.v. Art. 85 DSGVO?
Wie ausgeführt, hat sich das OLG Köln nur zur Fortgeltung des KUG bei der Verfolgung von u.a. journalistischen Zwecken geäußert (vgl. Wortlaut Art. 85 Abs. 2 DSGVO). Doch welche Fälle werden hiervon erfasst?
Nach dem EuGH ist der Begriff „journalistischer Zweck“ aufgrund der Bedeutung der Meinungsfreiheit zwar weit auszulegen. Er ist auch nicht allein Medienunternehmen vorbehalten (vgl. EuGH, Urteil v. 16.12.08 – C-73/07). Werden Bilder z.B. ausschließlich für Pressemappen verarbeitet oder für eigene Zeitungen/Zeitschriften einer Institution, kann die Zuordnung zu einem journalistischen Zweck naheliegen. So äußert sich jedenfalls z.B. die LDA Brandenburg.
(vgl. https://www.lda.brandenburg.de/media_fast/4055/RechtlicheAnforderungenFotografie.pdf)
Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen journalistisch und nicht-journalistisch ist angesichts des auslegungsbedürftigen Begriffes des Journalismus allerdings schwierig. Abgesehen davon werden viele alltägliche Lebenssachverhalte und eine Vielzahl an Fotoveröffentlichungen im Internet wohl nicht unter journalistische Zwecke gefasst werden können.
Wenn aber bereits eine Einordnung der Verbreitung als „journalistisch / nicht-journalistisch“ nicht sicher möglich ist und sich viele Sachverhalte per se nicht im journalistischen Bereich abspielen, hilft das Urteil des OLG Köln nicht weiter. Solange nicht hinreichend sicher geklärt ist, dass die Verbreitung des Fotos zu den in Art. 85 Abs. 2 DSGVO genannten Zwecken erfolgt, kann auch nicht sicher davon ausgegangen werden, dass der entsprechende Sachverhalt vorrangig nach dem KUG zu beurteilen ist und die DSGVO keine Rolle spielt.
5. Was gilt bei der Verbreitung und Veröffentlichung zu nicht-journalistischen Zwecken?
a.) Das OLG Köln hat sich – wie ausgeführt – in dem o.g. Beschluss nicht dazu geäußert, ob das KUG auch im nicht-journalistischen Bereich fortgelte. Offen gelassen wurde dies auch vom LG Frankfurt a.M. (vgl. Urteil v. 13.09.18, Az. 2-03 O 283/18). Im nicht-journalistischen Bereich ist Vieles also erst Recht unklar, da auch hier höchstrichterliche Entscheidungen bislang nicht vorliegen.
b.) Zwar nahm etwa die Bundesregierung auf Anfrage einer Abgeordneten zum Konflikt zwischen KUG und DSGVO im nicht-journalistischen Bereich wie folgt Stellung (vgl. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/044/1904421.pdf, S. 46 ff.):
„Es handelt sich beim KunstUrhG um eine, sich auf die Öffnungsklausel des Artikels 85 DSGVO stützende Regelung. Das KunstUrhG fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DSGVO ein, und zwar ohne dass es einer gesetzlichen Regelung zur Fortgeltung des KunstUrhG bedürfte. Das KunstUrhG liefert demnach auch unter der Geltung der DSGVO weiterhin eine nationale Rechtsgrundlage für die Verbreitung und Schaustellung von Personenbildnissen.
Für die Anfertigung von Fotografien mit personenbezogenen Daten, die nicht dem sog. Medienprivileg unterfallen, gelten unverändert die allgemeinen Regelungen des Datenschutzrechts. (…)“
Eine solche Stellungnahme entfaltet allerdings keinerlei Rechtswirkung und kann daher nicht als alleinige Orientierung dienen. Entscheidend ist die Rechtsprechung, welche derzeit und bislang nur in dem dargelegten Umfang verwertbar ist.
c.) Selbst für den (höchstrichterlich noch nicht entschiedenen) Fall, dass im nicht-journalistischen Bereich die in Teilen strengere DSGVO gelten sollte, spricht sich ein bedeutender Teil der Fachliteratur (und auch das LG Frankfurt a.M., a.a.O.) dafür aus, die zum KUG ergangene Rechtsprechung und deren Gesichtspunkte im Rahmen des Art. 6 (1) (f) DSGVO zu berücksichtigen.
Auch insoweit bleibt abzuwarten, was dies konkret heißen mag. Das LG Frankfurt (a.a.O.) etwa nahm folgende Prüfungsreihenfolge vor:
1. Zulässigkeitsprüfung nach KUG;
2. Zulässigkeitsprüfung nach Art. 6 (1) (f) DSGVO, wobei ohne weitere Begründung auf die Ausführungen zu 1. verwiesen wurde;
3. Zulässigkeitsprüfung nach Art. 6 (1) (f) DSGVO „ohne Anwendung der Grundsätze des KUG“.
Das Gericht hat also auf eine Prüfung nach KUG nicht verzichtet, mithin die DSGVO nicht als einzig anzuwendendes Gesetz angesehen. Andererseits hat das Gericht auf eine Prüfung nach DSGVO aber ebenfalls nicht verzichtet, was es möglicherweise getan hätte, wenn es das KUG als vorrangig angesehen hätte. Das Gericht kam in dem konkreten Fall bei allen Prüfungswegen zum gleichen Ergebnis, konnte es in diesem Fall also im Ergebnis offenlassen, ob das KUG nun auch im nicht-journalistischen Bereich fortgelte oder nicht. Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich andere Gerichte zu dieser Frage positionieren. Derzeit ist also allenfalls die vereinzelte Tendenz zu erkennen, dass die Frage nach der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Fotos im nicht-journalistischen Bereich letztlich entscheidend nach der ergangenen Rechtsprechung zu §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist.
6. Fazit:
Problematisch ist bei der Verbreitung von Fotos im nicht-journalistischen Bereich vor allem die Situation, in der nach der Rechtslage des KUG zwingend eine Einwilligung erforderlich wäre. Denn dann kommt es darauf an, ob das KUG nun tatsächlich auch im nicht-journalistischen Bereich fortgelten soll. Falls nicht, wäre die nach der DSGVO einzuholende Einwilligung jederzeit „widerrufs-behaftet“. Es ist im Allgemeinen jedoch nicht ratsam, einen Weg zu wählen, bei dem die veröffentlichten Bilder am seidenen Faden des bloßen und formlosen Widerrufes des Abgelichteten hängen (wie es bei der DSGVO der Fall wäre). Bei Geltung der DSGVO käme auch hinzu, dass die Einwilligung DSGVO-konform ausgestaltet werden müsste, was erfahrungsgemäß oftmals misslingt.
Erstrebenswerter ist es aus Unternehmens-/Veranstaltersicht, die Verbreitung / Veröffentlichung auf Art. 6 (1) (f) DSGVO (berechtigte Interessen) zu stützen. Problematisch wäre der Fall, wenn nach der Rechtslage des KUG für die konkrete Verbreitung / Veröffentlichung eine Einwilligung einzuholen wäre. In diesem Falle wäre es ggf. zweifelhaft zu begründen, dass in der gleichen Situation nach der DSGVO keine Einwilligung erforderlich wäre, sondern auf Art. 6 (1) (f) DSGVO zurückgegriffen werden könnte.
Am Rechtssichersten dürfte es daher sein, wenn die Verbreitung / Veröffentlichung sowohl nach KUG als auch nach DSGVO zulässig wäre. Wenn beispielsweise nach KUG die Verbreitung trotz fehlender Einwilligung gem. § 23 KUG zulässig wäre, spräche auch Vieles dafür, dieses Ergebnis im Rahmen von Art. 6 (1) (f) DSGVO mit guten Gründen zu vertreten. Wäre zur Verbreitung / Veröffentlichung allerdings auch nach KUG eine Einwilligung erforderlich, so muss man sich als Rechtsanwender entscheiden: geht man von der (noch nicht höchstrichterlich entschiedenen) Fortgeltung des KUG aus, kann das Problem der jederzeit „widerrufs-behafteten“ Einwilligung nach DSGVO umgangen werden. Sollte sich künftig aber die Auffassung durchsetzen, dass das KUG im nicht-journalistischen Bereich nicht gilt, sondern die DSGVO Vorrang hat, müsste man sich damit abfinden, dass die Fotos jederzeit widerrufen werden könnten und ggf. die zuvor auf die Einwilligung (nach KUG) gestützten Datenverarbeitungen rechtswidrig sein könnten, da die Einwilligungen nicht DSGVO-konform ausgestaltet gewesen sein könnten.
Wie aufgezeigt, handelt es sich bei dem Konflikt zwischen KUG und DSGVO keinesfalls um einen rein akademischen Streit. Es ist ratsam, sich nicht darauf zu verlassen, dass die in Teilen strengere DSGVO vom KUG verdrängt wird und man somit die teils aufwendigeren Vorgaben der DSGVO unberücksichtigt lassen könnte. Sollte sich in der Rechtsprechung die Auffassung durchsetzen, dass die DSGVO vorrangig zu beachten ist, wäre es aus wirtschaftlichen und – insbesondere bei öffentlichkeitswirksameren Veranstaltungen – auch aus PR-Gründen äußerst misslich, die entsprechenden Fotos aufgrund einer möglichen Nichteinhaltung der DSGVO ggf. nicht mehr verbreiten / veröffentlichen zu dürfen.
Wir beraten zu sämtlichen Fragen betreffend die DSGVO und den Bildnisschutz. Für ein Erstgespräch stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.